Wie funktioniert eine dezentralisierte Energieversorgung?
Die Dezentralisierung der Energieversorgung bezeichnet Mittel und Wege, Energie nah am eigentlichen Abnehmer zu erzeugen und sie dann gleichermaßen regional zu verbrauchen. Im Gegensatz dazu wird bei einer zentralen Energieversorgung die Energie für große Landstriche (Bundesländer, eventuell auch landesweit) in wenigen Großkraftwerken produziert und dann über das Hochspannungsnetz und Wärmenetze über weite Strecken zum Verbraucher transportiert. In diesen Großkraftwerken kommen überwiegend fossile oder nukleare Brennstoffe zum Einsatz, also Kohle, Erdöl und Erdgas sowie Brennelemente aus Uran- oder Plutoniumdioxid. Im Rahmen der Energiewende und im Bestreben, Umwelt- und Klimaschäden zu verringern, wird eine Abkehr von dieser Art der Energieerzeugung angestrebt und die Dezentralisierung mittels umweltfreundlicher Energien vorangetrieben.
Die Hauptakteure einer dezentralisierten Energieversorgung sind folglich regenerative Energien. Photovoltaik- und Solarthermieanlagen, Wind- und Wasserkraftwerke sowie Blockheizkraftwerke eignen sich weitaus besser dazu, elektrische sowie thermische Energie dezentral bereitzustellen und so kleinere Regionen einzeln zu versorgen. Fällt in diesem System ein einzelner Stromproduzent aus, fällt dies oftmals gar nicht ins Gewicht. Andere Akteure können bei Bedarf ihre Produktion anpassen und so Schwankungen unproblematisch ausgleichen. Somit sinkt die Gefahr, eines großflächigen Stromausfalls (Blackouts), wenn einzelne Großkraftwerke ausfallen sollten. Selbstverständlich gibt es auch große Wind- und Solarparks, die weitläufigere Gebiete über ein Hochspannungsnetz mit Energie versorgen. Dies ist zwar ebenfalls im Sinne des Umwelt- und Klimaschutzes, eliminiert jedoch einige wichtige Vorteile, die eine Dezentralisierung der Energieversorgung bietet.
Für den Transport des Stroms bei einer dezentralen Energiewirtschaft werden überwiegend Mittel- und Niederspannungsnetze bis etwa 50.000 bis 60.000 Volt genutzt – eine genaue Grenze zu Hochspannungsnetzen ist nicht definiert. Netze mit niedrigerer Spannungen haben den Vorteil, dass sie stabiler sind, der Kondensator-Effekt und die damit verbundenen technischen Schwierigkeiten geringer ausfallen und sie zudem mit kleinerem Abstand (zum Boden aber auch zwischen den Leitungen) installiert werden können. Lediglich für den Transport von Energie über weite Strecken sind sie ungeeignet – was allerdings nicht Sinn einer dezentralisierten Energieversorgung ist. Hier soll Strom lokal erzeugt und vor Ort oder zumindest in der Region verbraucht werden.
Ein weiterer wichtiger Baustein eines dezentralen Energienetzes sind Speicherkapazitäten, um Angebot und Nachfrage zu stabilisieren. Diese können entweder in Form von Wasserspeichern bei Wasserkraftwerken, jedoch auch als Akkusysteme insbesondere für die Speicherung von Solarenergie ausgeführt sein. Auch die Realisierung von intelligenten Stromnetzen (Smart Grids), bei denen etwa öffentliche und private Elektrofahrzeuge als Speicher fungieren können und Teil der gesamten Versorgung sind, ist ein wichtiger Aspekt für eine bessere Funktionalität der dezentralen Stromversorgung. Des Weiteren werden auch Infrastrukturen ausgebaut, um regenerativ erzeugten Strom mittels Elektrolyse in Form von grünem Wasserstoff zu speichern.
Neben regional und kommunal betriebenen Kraft- und Heizwerken kommt auch Privatpersonen und Unternehmen eine große Rolle bei der Dezentralisierung der Energieversorgung zu. Mit eigenen Solar- oder Windenergieanlagen auf Dächern und privaten Grundstücken ist es möglich, die Energieversorgung noch effizienter, flexibler, ausfallsicherer, platzsparender und umweltfreundlicher zu gestalten.
Welche Vor- und Nachteile bietet die Dezentralisierung der Energieversorgung?
Eine dezentralisierte Energieversorgung ist nicht nur der einfachere Weg, die Strom- und Wärmeerzeugung gänzlich über erneuerbare Energien zu realisieren. Sie bietet noch deutlich mehr Vorteile gegenüber der zentralen Energieversorgung über Großkraftwerke. Dies ist zum einen in der verbrauchernahen Bereitstellung der elektrischen und thermischen Energie bedingt. Werden Strom und Wärme dort erzeugt, wo sie ebenfalls gleich abgenommen werden, müssen sie nicht über weite Strecken in Spannungs- oder Wärmenetzen transportiert werden. Dies mindert Übertragungsverluste ungemein, denn ein Transport über weite Distanzen vom Großkraftwerk zum entfernten Abnehmer erfordert immer, mehr Energie bereitzustellen, als letztendlich benötigt wird. Schließlich geht ein Teil der Energie auf dem Weg (z. B. in Form von Reibungswärme) oder bei der Transformation auf unterschiedliche Spannungsebenen (=> Hochspannung, Mittelspannung, Niederspannung) verloren.
Zudem lässt sich Energie mithilfe einer dezentralisierten Energieversorgung kostengünstiger, bedarfsgerechter und auch unabhängiger von Großversorgern produzieren – auch letzteres wirkt sich letztendlich auf die Preisgestaltung auf. Viele Besitzer privater Photovoltaikanlagen nutzen die erzeugte Energie zunächst selbst. Stromüberschüsse werden jedoch in das allgemeine Stromnetz eingespeist und können somit zusätzliche Vergütungen erzielen.
Selbstverständlich ist die Dezentralisierung der Energieversorgung auch deutlich umweltfreundlicher, da sich hier die Nutzung von regenerativen Energien einfacher realisieren lässt. Fällt beispielsweise auf einer Deponie eh Faulgas an, so lässt sich dieses verstromen und somit zusätzliche Emissionen einsparen. Gleiches gilt für den Klärschlamm im Klärwerk. Die Kombination verschiedener Technologien zur Energieerzeugung ist ein weiterer Vorteil der dezentralen Energieversorgung. So lässt sich leicht auf die regionalen Besonderheiten Rücksicht nehmen: Regionen mit einem großen Wasserreichtum setzen verstärkt auf Wasserkraft. Regionen mit viel Wind bauen die Windkraft aus. Damit ist eine hohe Versorgungssicherheit bei gleichzeitiger Wirtschaftlichkeit gewährleistet. Um die Energiewende zu forcieren, fördert der Staat darüber hinaus die Errichtung von Anlagen zur umweltfreundlichen Energieproduktion.
Allerdings weist auch die Dezentralisierung einige Nachteile auf. Zum einen bedingt sie eine hohe Anfangsinvestition der einzelnen Gemeinden, um die nötigen Anlagen und Netze zu errichten. Des Weiteren können sich aufgrund von bestimmten Witterungsbedingungen Schwankungen in der Stromerzeugung ergeben (Flaute, Bewölkung), welchen mit entsprechenden – und ebenfalls kostspieligen – Speichertechnologien entgegengewirkt werden muss. Auch obliegt den Gemeinden oder Privatpersonen die notwendige Instandhaltung, Überwachung sowie eventuell notwendige Reparaturen. Diese kann auch an externe Dienstleister ausgelagert werden, was jedoch weitere Kosten bedingt. Die Dezentralisierung der Energieversorgung hilft letztlich, auch langfristig Arbeitsplätze vor Ort zu sichern.
Der Dezentralisierung der Energieversorgung gehört die Zukunft
Im Allgemeinen ist eine verstärkte Dezentralisierung der Energieversorgung jedoch überwiegend vorteilhaft für die einzelnen Akteure wie Gemeinden, Bauern oder Stadtwerke. Die Investitionen lohnen sich nicht nur aus der Perspektive des Klimaschutzes, sondern auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Hier lassen sich neue Standbeine für eine Region aufbauen und neue Potentiale erschließen. Schließlich bietet die Klimawende auch die Chance, aus dem Transformationsprozess als Gewinner hervorzugehen.
Besonders zukunftsweisend ist hierbei, dass sich verschiedene Technologien zur Strom- und Wärmeerzeugung in Kombination nutzen lassen, um flexible und zuverlässige Versorgungsnetze zu schaffen. Dies betrifft nicht nur die „Standardsysteme“ wie etwa Photovoltaik und Windenergie. Eine dezentralisierte Energieversorgung erlaubt es auch, unkonventionelle und innovative Methoden zur Bereitstellung von Strom und Wärme unkompliziert in den Energiemix einzubinden. Hierzu zählt zum Beispiel die Gewinnung von Wärmeenergie aus Abwasser, welche in den letzten Jahren immer mehr Beachtung erfahren hat. Bei dieser Technologie gewinnen Wärmetauscher und Wärmepumpen umweltfreundlich Heizenergie aus dem verbrauchten Abwasser, welche sich dann wieder standortnahen Verbrauchern zuführen lässt. Wissenschaftliche Studien ergaben, dass es so möglich wäre, etwa 14 Prozent des deutschen Wärmebedarfs zu decken – sofern die Technologie an allen wirtschaftlich sinnvollen Standorten in den Abwasserkanälen zum Einsatz kommt.
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