Der unerwartete Energieträger in der Kanalisation
Als „Grauwasser“ wird der Teil des Abwassers bezeichnet, der frei von Verunreinigungen durch Urin und Fäkalien ist. Gemeinsam mit dem derartig verunreinigten „Schwarzwasser“ wird das Grauwasser unter dem Begriff „Schmutzwasser“ zusammengefasst. Schmutzwasser, Regenwasser und das anderweitig in die Kanalisation eintretende Fremdwasser, z. B. durch bauliche Schäden wie Wurzeleinwuchs, bilden zusammen das Abwasser, welches durch die entsprechenden Kanäle zum Klärwerk geleitet und dort aufbereitet wird.
Grauwasser entsteht in vielen verschiedenen Situationen des menschlichen Alltags, zum Beispiel fällt es beim Duschen oder Baden, beim Hausputz oder Wäschewaschen an. Aufgrund der relativ geringen Verunreinigung lässt sich Grauwasser leicht wiederaufbereiten. Dies geschieht im Klärwerk durch mechanische Maßnahmen, also z. B. durch die Filterung des Wassers, und den Einsatz von Mikroorganismen, die biologische Bestandteile aus dem Wasser entfernen. Wird verhindert, dass sich das Grauwasser mit dem Schwarzwasser aus der Toilette mischt, ist nach der Aufbereitung häufig der Gebrauch als Nutzwasser im Garten, für den Hausputz und Ähnliches möglich. Mit Schwarzwasser vermischtes Grauwasser muss hingegen aufwendig wiederaufbereitet werden, ehe es als Klarwasser in ein Gewässer in der Umwelt eingeleitet werden kann.
Ein großer Teil des Grauwassers erreicht die Kanalisation mit vergleichsweise hohen Wärmegraden. So erwärmt sich auch das Abwasser insgesamt auf Temperaturen von ganzjährig etwa 10 bis 20° C. Die auf diese Weise darin gespeicherte Energie lässt sich problemlos technisch nutzbar machen. Denn mit solch hohen Temperaturen stellt das Abwasser eine perfekte Wärmequelle für Wärmepumpen dar.
Das Potential des Grauwassers in der Wärmeversorgung
Wärmepumpen beziehen Wärme aus einer Quelle in der Umgebung, steigern durch Einsatz von Strom deren Temperaturniveau und versorgen auf diese Weise Heizungssysteme und Wärmenetze mit der Wärme, die Menschen zum Heizen und zur Warmwasserbereitung benötigen. Eine Abwasserwärmepumpe, die auf Abwasser als Wärmequelle zugreift, kann somit die im Abwasser enthaltene Restwärme einem sinnvollen Verwendungszweck zuführen. Da das Abwasser im Vergleich zu anderen Wärmequellen zudem recht hohe Temperaturen aufweist, steigt auf diese Weise zugleich die Effizienz der Wärmepumpe. Zu guter Letzt schont die Energierückgewinnung durch die Abwasserwärmenutzung auch die Umwelt, weil weniger Rohstoffe wie z. B. Heizöl zur Wärmebereitstellung benötigt werden.
Einen ersten Einsatz fand die Rückgewinnung der Abwasserwärme bereits 1986 in Waiblingen (Rems-Murr-Kreis in Baden-Württemberg). Seither beliefert dort eine Abwasserwärmepumpe ein Fernwärmenetz mit Wärme zum Beheizen verschiedener öffentlicher und privater Gebäude. Auch in weiteren Städten wurde die Technologie seither umgesetzt. Bisher stand einer weiten Verbreitung der Abwasserwärmenutzung mangelndes öffentliches Bewusstsein im Wege. Vor allem die Notwendigkeit des Klimaschutzes macht diese effiziente Form der Wärmegewinnung inzwischen jedoch immer attraktiver und auch dringlicher, denn Quellen zur effizienten Einsparung von CO2-Emissionen müssen zielgerichtet ausgebaut werden, um die im Pariser Klimaabkommen gestellten Klimaziele überhaupt noch einhalten zu können.
Auch die Bundesregierung hat die Abwasserwärme als Energiequelle erkannt. So wird sie gemäß dem Gebäude-Energie-Gesetz (GEG) unter anderem in Verbindung mit einem effizienten Wärmenetz gefördert. Die möglichen finanziellen Einsparungen, die sich aus dem geringen Energieverbrauch ergeben, sowie das Potential zur völligen Klimaneutralität bei Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien, machen die Abwasserwärmenutzung aber auch ohne zusätzliche Fördermaßnahmen zu einer lohnenden Investition in die Zukunft.
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