Gerade in Gebirgen ist die Bewässerung von Landwirtschaftsflächen eine komplizierte Angelegenheit. Aufgrund der geographischen Lage fallen die Niederschlagsmengen an der trockeneren Lee-Seite oft sehr gering aus und das Umland der Bach- und Flussläufe ist schwer zugänglich. Um Wasser von seinen natürlichen Quellen dahin zu transportieren, wo es wirtschaftlich benötigt wird, wurden früher Waale eingesetzt – künstlich angelegte Kanäle, die sich überwiegend dem Gefälle bedienen. UHRIG stellt Ihnen die Bauwerke genauer vor.

Was genau ist ein Waal?

Das Wort „Waal“ leitet sich ab aus den Wörtern „aqualis“ (lateinisch) und „boul“ (keltisch). Ursprünglich bedeutete aqualis „Wasserkrug“. In spätrömischer Zeit wurde allerdings auch ein Wasserlauf bzw. Bach so genannt. Im Mittelalter kam die Bezeichnung nicht nur für die Bewässerung, sondern auch für Burggräben auf. Diese waren ebenso künstlich angelegt und oftmals zu Abwehrzwecken mit Wasser gefüllt. Waale zur landwirtschaftlichen Bewässerung finden sich weltweit – auch wenn sie dann etwas anders heißen: beispielsweise Suone, Bissen, Wasserfuhren oder Wasserleiten, Fluder, Wuhr, Fleizen, Ru, Bief, Levada oder Faladsch. Der Begriff Waal hat sich vor allem im Alpenraum bis heute erhalten.

Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei einem Waal um einen meist wenig komplex konzipierten Kanal zur Umleitung von Wasser aus Gebirgsbächen und -flüssen. In seiner einfachsten Form wird einfach nur eine Rinne in das Gelände gegraben oder (in felsigem Gebiet) geschlagen, die Wasser aus natürlichen Quellen abzweigt und schließlich zu Acker- oder Weideflächen oder aber Ortschaften führt. Abhängig vom Umland und eventuellen Gefahren durch Erosion, Witterung und anderen Naturereignissen werden Waale jedoch nicht selten weiter künstlich „aufbereitet“. Ist das Gelände etwa stark erosionsgefährdet, kommen zusätzlich hölzerne Verbaue an Boden und Wänden des Kanals zum Einsatz. Besteht ein Risiko durch Steinschläge oder Lawinen, so wird der Waal gegebenenfalls auch durch Steinplatten oder Erdreich abgedeckt – es entsteht quasi ein unterirdischer Waaltunnel. In einigen Fällen wird auch gänzlich auf die Nutzung des natürlichen Geländes verzichtet und dem Transport des Wassers dienen komplett aus Holz oder Stein gefertigte, künstliche Rinnen.

Um mehrere landwirtschaftliche Flächen und Orte mit Wasser zu versorgen, sind Waale hin und wieder verzweigt und weisen verschiedene Ableitungen auf. Diese sind mit Schwellbrettern oder anderen wehrartigen Mechanismen versehen, die eine genaue Regulierung der Wassermenge ermöglichen. Damit die Waale nicht aufgrund von mittransportierten Sedimenten und anderen Fremdkörpern verstopfen, beinhalten die Bauwerke ebenfalls Siebanlagen, Rechen und Fangbecken. Die regelmäßige Entleerung von diesen sowie das Entfernen von Verstopfungen, welche nicht von den Anlagen erfasst werden können, geschieht manuell.

Da Waale sehr arbeitsintensiv sind, wurden viele der Kanäle mittlerweile zugunsten modernerer Technik zur Bewässerung aufgegeben und ersetzt. Die traditionelle Anlage diente dabei jedoch meist als Unterlage für die zeitgemäßen Rohrsysteme. Einige historische Waale sind jedoch noch immer erhalten und in Benutzung. Sie werden als Kulturgut gepflegt, beispielsweise in Südtirol. Um sie herum entstand mit den „Waalwegen“ eine ausgedehnte, beschauliche und wegen der meist geringen Steigung angenehme Wanderlandschaft.

 

Wie funktioniert ein Waal und wozu dient(e) sein Wasser?

Waale sind eine sehr ursprüngliche Form der Bewässerung. Sie kommen in der Regel ohne komplexe Technik wie etwa Pumpen oder andere Arten von Hebewerken aus. Sie bedienen sich zum Transport des Wassers meist ausschließlich dem natürlichen Gefälle. Lediglich die Regulierung des Wasserflusses erfolgt durch technische Anlagen wie Wehre oder Schwellbretter. An bestimmten Punkten wurden früher auch Glockenmechanismen angebracht, die damals den Waaler (der mit der Wartung der Kanäle verantwortliche Arbeiter) darauf hinwiesen, wenn sich der Wasserstand im Waal dramatisch veränderte und eine Komplikation zu beheben war, etwa eine Verstopfung durch Sedimente, Laub oder Äste.

Waale dienten und dienen vorrangig der Bewässerung von landwirtschaftlichen Flächen und Weidewiesen. Meist geschieht dies nur periodisch, so dass die Kanäle im Oktober verriegelt und im April wieder in Betrieb genommen werden. Allerdings wurde das Wasser der Waale auch anderweitig genutzt. In frühen Zeiten stellten sie ebenfalls die Wasserversorgung von Ortschaften und später zumindest noch die der Tiere sicher. Auch wurden Waale genutzt, um Mühlen, Sägewerke und andere technische Anlagen mit Wasserkraft zu betreiben. Wie bereits erwähnt ist die Bedeutung der Kanäle aufgrund der Nutzung modernerer Technologie in den letzten Jahrzehnten jedoch stark zurückgegangen.

Dieselbe Funktion und Bauart wie die Waale weisen auch die Levadas auf Madeira auf, die heute eine beliebte Touristenattraktion geworden sind. Wanderwege entlang der Levadas machen die eindrucksvolle Natur erlebbar, während das Wasser noch immer in den Kanälen vom regenreichen Norden in den trockeneren Süden fließt und dort für die Landwirtschaft genutzt wird.

 

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